Neben der prinzipiell hohen Ortsauflösung der Elektronenstrahlbearbeitung bietet diese darüber hinaus durch die hohe Energie und den Teilchencharakter weitere Möglichkeiten in der Werkstoffbearbeitung. Am Fraunhofer FEP wird seit vielen Jahren der Elektronenstrahl genutzt, um kontrolliert chemische und biologische Wirkungen an Materialoberflächen zu erzielen. Eine bereits am Markt etablierte Methode ist das Saatgutbeizen mittels niederenergetisch beschleunigter Elektronen, bei dem die DNA der Schädlinge zerstört wird.
Mithilfe von niederenergetisch beschleunigten Elektronen lassen sich auch Oberflächen von Medizinprodukten (Implantate, Geräte), Verpackungen, Lebensmittel und Futtermittel sterilisieren bzw. desinfizieren. Selbst empfindliche Materialien und Produkte können mit der umweltfreundlichen und materialschonenden Technologie innerhalb von Millisekunden bis Sekunden effizient desinfiziert oder sterilisiert werden. Die Proben können dabei unter Atmosphärendruck bearbeitet werden und behalten ihre Formstabilität sowie ihre produktspezifischen Eigenschaften. Der Elektronenstrahl kann dabei auch durch Verpackungen hindurch die Produktoberfläche sterilisieren, was Sterilisationsprozesse deutlich vereinfacht.
Im Gegensatz zu anderen Sterilisationsverfahren, die mit Bestrahlung arbeiten, benötigt die Sterilisation/Desinfektion mit niederenergetischen Elektronen (bis max. 300 keV) nur eine einfache, lokale Strahlungsabschirmung. Das macht diese Technologie kompakt und leicht in bestehende Prozessketten in-line integrierbar. Auch eine mobile Anwendung ist hierbei denkbar und am Beispiel des Saatgutbeizens bereits erfolgreich durchgeführt worden.
Zusätzlich wirken oberflächenmorphologische als auch energetische Charakteristika der bakteriellen Adhäsion entgegen, das heißt: Keime können sich gar nicht erst an der Oberfläche anlagern. Diese Strategie wird auch bei der Oberflächenmodifizierung von Beschichtungen mittels nicht-thermischer Elektronenstrahltechnologie genutzt, wodurch die Adhäsionseigenschaften von Oberflächen gezielt angepasst werden können.
Darüber hinaus bietet der Elektronenstrahl als sehr flexibles Werkzeug besonders bei der Behandlung von Kunststoffen eine Fülle von Modifikations- und Variationsmöglichkeiten. Am Fraunhofer FEP können durch niederenergetisch beschleunigte Elektronenstrahlen Oberflächen sterilisiert, vernetzt oder anderweitig modifiziert (funktionalisiert) werden. Dies wird durch Veränderungen der Prozessparameter möglich. So führt eine Änderung der Beschleunigungsenergie zu unterschiedlichen Eindringtiefen der Elektronenstrahlen in das Material, eine Differenzierung der eingestrahlten Energiedosis in Zeit und Menge zu unterschiedlichen Prozessen im Substrat. Zuführung von Reaktivgasen oder reaktiven Precursoren bzw. die Kopplung mit anderen Beschichtungsverfahren, wie der physikalischen Gasphasenabscheidung (PVD), erlaubt die Abscheidung von Deckschichten sowie chemische Modifikationen an der Oberfläche. Die Elektronenstrahlmodifizierung von Kunststoffen dient vor allem einer Verbesserung der Haftung auf Oberflächen. Besonders in der Druckindustrie beim Auftragen von Tinten, beim Compoundieren von Polymergranulaten oder beim Aufbringen von Barriereschichten für unterschiedlichste Anwendungen auf Plastikfolien ist eine optimale Haftung von entscheidender Bedeutung.
Synthetische oder biopolymere Kunststoffe können in ihren Eigenschaften an Oberflächen und Randschichten gezielt verändert werden. Die Modifikation folgender Materialeigenschaften ist am Fraunhofer FEP möglich:
mechanische Festigkeitswerte (Härte, Dehnung, E-Modul, Biegesteifigkeit, Kerbschlagzähigkeit, Schmelzindex)
Quell- und Löseverhalten
Oberflächentopographie (glatt, rau)
Benetzungsverhalten
Oberflächenreaktivität durch Einbringen chemisch reaktiver Gruppen oder Grafting reaktiver Komponenten
Haftvermögen von organischen Beschichtungen durch Co-Vernetzung von Schicht und Substrat
Ergänzend können funktionelle Beschichtungen die Materialeigenschaften ändern.